Gewichthebergürtel sind kein Mode-Accessoire. Ursprünglich wurden sie entwickelt, um das Heben schwerer Lasten zu erleichtern – nicht nur beim Fitnesstraining, sondern auch im Arbeitsalltag von beispielsweise Möbelpackern oder Lagerarbeitern. Sie sollen außerdem vor Verletzungen der Bandscheibe und des unteren Rückens schützen.
Ich möchte mir heute anschauen, wie Gewichthebergürtel beim Krafttraining eingesetzt werden können.
Die Idee dahinter
Wenn du regelmäßig auf unserer Seite unterwegs bist, dann weißt du es sicher längst: Ganzkörperübungen sind ein hervorragender Weg, um Muskeln aufzubauen. Doch sie erfordern eine möglichst sichere Übungsausführung, um Verletzungen zu vermeiden. Bei den Kniebeugen und beim Kreuzheben zum Beispiel lastet ein hohes Gewicht auf der Wirbelsäule. Um diese empfindliche Körperstelle insbesondere bei Maximalbelastungen zu schonen, tragen viele Sportler Gewichthebergürtel.
Die für das Krafttraining üblichen Gürtel sind in der Regel aus Leder oder einem festen synthetischen Material gefertigt. Wenn sie zum Einsatz kommen, werden sie eng angelegt. Während der Satzpausen oder während geringerer Belastungen wird der Gürtel gelockert oder gleich ganz abgelegt.
Die Gürtel sollen den unteren Rücken auf verschiedene Arten schützen, vor allem aber indem sie den Bauchinnendruck erhöhen und damit für mehr Stabilität sorgen [1][2].
Sollte ich einen Gewichthebergürtel tragen?
Wie steht es also mit der Ausgangsfrage? Ist es sinnvoll, beim Training einen Gewichthebergürtel zu benutzen? Diese Frage ist schwer zu beantworten.
Einerseits hat die Wissenschaft die Wirkung von Gewichthebergürteln verschiedentlich angezweifelt [3][4][5]. Außerdem ist darauf hingewiesen worden, dass das Tragen eines solchen Gürtels beim Training zu einem zwar auf die Dauer der Belastungsphase beschränkten, aber dennoch starken Anstieg des diastolischen Blutdrucks führt [6]. Das würde eher dafür sprechen, auf den Gewichthebergürtel zu verzichten.
Doch es ist andererseits auch nicht abzustreiten, dass die Gürtel in der Praxis etabliert sind – und das wahrscheinlich nicht völlig grundlos. Im Kraftsport, dem großen Bruder des Bodybuildings, sind Gewichthebergürtel ein übliches Hilfsmittel. Sie sollen Verletzungen des unteren Rückens vorbeugen und Höchstleistungen erbringen helfen – im Wettkampf wie im Training.
Was gilt also für den gemeinen Fitnesssportler? Wir möchten an dieser Stelle dazu raten, auf den Gewichthebergürtel entweder komplett zu verzichten oder ihn nur in ganz bestimmten Trainingssituationen zu tragen.
Dafür gibt es zwei wesentliche Gründe:
1. Wenn die Stabilität des unteren Rückens durch den Gewichthebergürtel „künstlich“ herbeigeführt und nicht durch eine Aktivierung der Rumpfmuskulatur erreicht wird, dann bleibt die Rumpfmuskulatur unterentwickelt. Sie wird weniger gefordert und kann nicht „mitwachsen“. Der Gewichthebergürtel wird dann zu einem Muskulaturersatz. Mit ihm bist du stark – ohne ihn schwach. Dein Ziel sollte es sein, deinen Körper als funktionale Einheit zu stärken, damit er den Herausforderungen des Alltags ebenso gewachsen ist wie allen denkbaren Herausforderungen des Sports. Wenn du beim Training ständig einen Gewichthebergürtel trägst, kannst du dieses Ziel nicht erreichen.
2. Gewichthebergürtel vermitteln ein falsches Gefühl von Sicherheit, das zu Verletzungen führen kann. Denn selbst wenn der Gürtel das Verletzungsrisiko verringert – er hebt es nicht auf. Einer Studie zufolge neigen Sportler dazu, zu sehr auf die stützende Kraft des Gürtels zu vertrauen und wählen in der Folge zu hohe Trainingsgewichte [7].
Das Tragen eines Gewichthebergürtels befreit auch nicht von der Notwendigkeit, die Übungen richtig auszuführen. Fehlbelastungen können zu Verletzungen führen – ob du nun einen Gürtel trägst oder nicht.
Was sind die Ausnahmen?
Es gibt nur zwei Szenarien, in denen mir das Tragen eines Gürtels sinnvoll erscheint: Erstens in Wettkampfsituationen. Wenn du eines Tages bei den Strongmen oder beim olympischen Gewichtheben antrittst, dann gerne auch mit Gewichthebergürtel. Zweitens bei Trainingssätzen mit extrem hoher Belastung. Wenn du beim Kniebeugen zum Beispiel mit einem Gewicht arbeitest, das mehr als 85% deines 1 Repetition Maximums beträgt, dann kannst du dich mit einem Gürtel absichern. Solche Trainingsmethoden sind jedoch vor allem erfahrenen Sportlern zu empfehlen. Und auch in solchen Fällen ist das Tragen eines Gürtels keine Pflicht, sondern hängt von persönlichen Präferenzen und Erfahrungen ab.
Fazit
Das Fazit: Gewichthebergürtel – sinnvoll oder nicht? Weder die Wissenschaft noch die Trainingspraxis haben diese Frage bisher definitiv beantworten können. Die oben genannten Gründe lassen uns jedoch klar dazu tendieren, vom Tragen eines Gürtels abzuraten.
Konzentriere dich stattdessen auf eine richtige Ausführung der Übung, um Fehlbelastungen zu vermeiden. Stärke deine Rumpfmuskulatur, um deinem unteren Rücken mehr Stabilität zu verleihen. Und richte deinen Trainingsfokus darauf, nicht nur einzelne Muskeln, sondern deinen Körper als funktionale Einheit zu stärken. Der Gürtel darf nicht zur Prothese werden – das würde dem Grundgedanken unseres Sports widersprechen.
Fußnoten
[1] http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/10619094
[2] http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/2709981
[3] http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/2141312
[4] http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/7709282
[5] http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/7660236
[6] http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/8877843
[7] http://www.sciencedirect.com/science/article/pii/0169814188900327
Wir raten vom Tragen des Gewichthebergürtels ab. Aber was meint ihr: Sollten wir dennoch einen Artikel veröffentlichen, der Anschaffungshinweise gibt und die korrekte Benutzung des Gürtels erklärt?
Ich habe eine leichte Vorschädigung im Lendenwirbelbereich, eine Bandscheibe ist durch Wirbelfehlstellung nicht mehr so ganz “fit”.
Durch einen Kraftgürtel kann ich auch im Grenz- bzw. Maximalbereich Kraftübungen sicher (oder sicherer) durchführen bzw. verringere die bei mir latent vorhandene Verletzungsgefahr. Dies betrifft z.B. Shrugs, Wadenpresse (im Stehen) aber auch Bizeps und Trizeps am hohen bzw. tiefen Block.
Interessant hierbei, bei Bizeps und Trizeps schaffe ich ca. 10% mehr Leistung (Gewicht oder Wiederholung) im Grenzbereich* mit einem Kraftgürtel (ohne Abfälschung).
* Wenn Gewichte bei oder über meinem Körpergewicht (70KG).
Ansonsten bin ich der gleichen Meinung, im Normaltraining lasse ich den Gürtel weg, die Atmung ist damit nicht mehr normal möglich und ich möchte meinen Rumpfbereich ja auch mit trainieren.
Immer Gas geben, Jungs…!!! 🙂
Hallo Andreas,
das ist ein guter und wichtiger Hinweis, den ich noch in den Artikel einbauen werde. Vielen Dank!